Gaza-Hilfe
Linke-Abgeordnete wettern gegen Israel
Der Konflikt um die Erstürmung des Gaza-Hilfskonvois spitzt sich zu: Während Israel weiter jede Schuld von sich weist, erheben die wieder freigelassenen Abgeordneten der Linken schwere Vorwürfe.
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Reuters
Die Linken-Abgeordneten Annette Groth (l.) und Inge Höger zurück in Berlin
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Israel bleibt in der Debatte um die Erstürmung der „Gaza-Solidaritätsflotte“ bei seiner Position: „Wir müssen uns nicht dafür entschuldigen, dass wir uns selbst verteidigt haben“, sagte Vizeaußenminister Danny Ajalon nach Angaben seines Büros am Dienstag in Jerusalem. Ajalon bezeichnete die sechs Schiffe der „Gaza-Solidaritätsflotte“ als eine „Armada des Hasses und der Gewalt“. Sie sei nur ein Beispiel für die „ständigen Provokationen, denen Israel ausgesetzt“ sei.
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Messer und Schlagstöcke an Bord
Der stellvertretende Außenminister fällte auch ein vernichtendes Urteil über die rund 700 pro-palästinensischen Aktivisten an Bord der Schiffe. „Bitte sagen Sie mir, welche Friedensaktivisten haben lange Messer und Schlagstöcke aus Metall dabei und versuchen andere umzubringen“, sagte er.
Nach der Kommandoaktion vom Montagmorgen im Mittelmeer, bei der nach Armeeangaben neun Aktivisten getötet und 45 weitere verletzt worden waren, sieht sich Israel einer Welle internationaler Kritik ausgesetzt. Ein Vorwurf lautet, dass der Einsatz der Elitesoldaten unverhältnismäßig gewesen sei. Andere hielten Israel vor, es habe auch andere Möglichkeiten gegeben, die Flottille zu stoppen.
Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, die den Konvoi begleiteten und unverletzt blieben, erhoben ebenfalls schwere Vorwürfe. Die beiden Politikerinnen waren im israelischen Hafen Aschdod freigelassen worden, nachdem die deutsche Botschaft zu ihren Gunsten interveniert hatte.
Abgeordnete empört über „barbarischen Akt“
Die Abgeordnete Inge Höger beschrieb die Aktion des israelischen Militärs gegen einen internationalen Hilfskonvoi in Berlin mit den Worten: „Wir haben uns wie im Krieg und gekidnappt gefühlt.“ Ihre Kollegin Annette Groth sprach von einem „barbarischen Akt“. Beide äußerten die Vermutung, dass erheblich mehr Menschen getötet wurden als die offiziell neun Toten. Höger äußerte die Vermutung, dass bei der Kommandoaktion bis zu 19 Menschen starben.
Zusammen mit den beiden Abgeordneten kehrten auch drei weitere Bundesbürger zurück, darunter der ehemalige Linke-Abgeordnete Norman Paech. Paech hielt Israel sogar ein „Kriegsverbrechen“ vor. „Wir haben mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Brutalität.“ Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ist das Schicksal von sechs anderen Bundesbürgern noch ungeklärt. Vermutet wird, dass sie von Israel interniert wurden. Darunter sind auch Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft.
http://www.focus.de/politik/ausland/gaza...14581.html



Angriff auf Gaza-Konvoi Israel hat jedes Maß verloren
31.05.2010, 14:12 2010-05-31 14

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Ein Kommentar von Peter Münch
Der israelische Staat hat es sich auf seinem Stammplatz am Pranger der Welt bequem gemacht und so schlimmen Schaden angerichtet - für seine Stellung in der Region. Wer von so vielen Seiten angefeindet wird, ist dringend auf Freunde angewiesen.
Am Anfang stand die Demonstration der Stärke. Seit Tagen schon war alles vorbereitet, die Marine zeigte sich gerüstet für den Showdown, denn niemand sollte glauben, dass er Katz und Maus spielen könne mit dem Militär des Staates Israel.
Jordanian protestors burn a banner with an image of a defaced Israeli flag during a demonstration outside the Jordanian prime ministry in Amman Bild vergrößern
In Jordanien verbrennen Demonstranten eine israelische Flagge - ein Protest gegen den Militärschlag gegen einen Hilfskonvoi, bei dem am Montag mindestens zehn Menschen ums Leben kamen. (© rtr)
Am Ende stehen Szenen wie aus einem Krieg und ein Blutbad auf hoher See. Eine internationale Hilfsaktion für die Menschen im abgeriegelten Gaza-Streifen ist in eine Katastrophe gemündet.
Gewiss hat niemand gewollt, dass es so schlimm kommt. Aber ebenso gewiss ist, dass es irgendwann so schlimm kommen musste. Denn die Regierung in Jerusalem hat - nicht nur in diesem Fall - das Maß verloren, mit dem sie für ihre Ziele kämpft.
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Israel sieht sich als Nation im Krieg. Selbst wenn nicht gekämpft wird, ist die Bedrohung allgegenwärtig. Wohl nirgends auf der Welt heulen so oft die Sirenen zu Probezwecken, nirgends wird so ausgiebig über die Verteilung von Gasmasken und die Abwehr terroristischer Angriffe diskutiert.
Ein Land in steter Abwehrbereitschaft
Das ist eine Konsequenz aus der Geschichte dieses Landes, das in den 62 Jahren seiner Existenz nie zur Ruhe kam und bis heute umringt ist von Feinden. Dies führt jedoch dazu, dass alles aus dem Blickwinkel der Bedrohung betrachtet wird, und das Land allzeit und überall abwehrbereit ist. Dies ist der Kern der israelischen Staatsräson.
Der Umgang mit diesem brisanten politischen Axiom erfordert enormes Verantwortungsbewusstsein. Notwendig wäre dafür ein hohes Maß an Differenziertheit und Fingerspitzengefühl. Die israelische Politik jedoch versagt auf ganzer Linie vor dieser Verantwortung.
Als sechs Schiffe voller Hilfsgüter Kurs auf den Gaza-Streifen nahmen, wurde die Marine in Alarmzustand versetzt, als gelte es, eine feindliche Armada abzuwehren. Die unbedingte Aufrechterhaltung der Gaza-Blockade, die eigentlich nichts anderes ist als eine Strafaktion gegen 1,5 Millionen Palästinenser, wurde gleichsam in den Kern des israelischen Überlebenskampfes inkorporiert. Eine Niederlage durfte es auf diesem Feld nicht geben - koste es, was es wolle.
Mit diesem Tunnelblick haben Israels Streitkräfte nun den schlimmstmöglichen Schaden angerichtet - für die Stellung ihres Landes in der Welt.
Es wird nicht reichen, sich damit zu rechtfertigen, dass die Soldaten beim Kapern der Schiffe von den Aktivisten angegriffen worden seien. Es klingt angesichts der Kräfteverhältnisse und der Opferzahlen sogar fast obszön, wenn der Armeesprecher angibt, die Soldaten hätten sich gegen Lynchattacken zur Wehr setzen müssen.
Gewiss waren neben Galionsfiguren wie dem schwedischen Schriftsteller Henning Mankell oder den europäischen Abgeordneten auch Heißsporne auf den Hilfsschiffen. Doch eine professionelle Armee - die obendrein so viel auf sich hält wie die israelische - muss mit Widerstand von Zivilisten umgehen können, wenn sie sich auf eine solche Aktion einlässt. Nichts rechtfertigt dieses Schießen und Töten.
Israelischer Angriff auf Gaza-Hilfskonvoi Bild vergrößern
Klicken Sie auf die Karte, für eine vollständige Darstellung. (© SZ-Karte: Mainka)
Der blutige Schlag gegen die Gaza-Flottille wird Israel nun international weiter ins Abseits drängen. Eindeutiger könnten die Reaktionen nicht sein: Die Türkei, die einmal als Brücke zwischen dem jüdischen Staat und der muslimischen Welt dienen wollte, spricht von irreparablem Schaden. Der Westen ist bestürzt und konsterniert, und die Araber fordern wütend eine Bestrafung Israels. Ein Druck baut sich auf, der bedrohliche Ausmaße annimmt.
Die israelische Politik kann nach diesem Desaster so handeln wie nach dem Gaza-Krieg vor anderthalb Jahren, der 1400 Palästinenser das Leben kostete, unter ihnen viele Zivilisten: Augen zu und durch, war hier die Devise. Vorwürfe wegen Kriegsverbrechen werden bis heute kategorisch zurückgewiesen, der im Auftrag der Vereinten Nationen angefertigte Untersuchungsbericht wird als parteiisch verurteilt. Israel könnte sich also einrichten auf seinem Stammplatz am Pranger der Weltgemeinschaft - in dem kurzfristig sogar bequemen Bewusstsein, der feindlichen oder zumindest ignoranten Welt sowieso nicht erklären zu können, warum der Zweck fast alle Mittel heiligt.
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In der israelischen Regierung gibt es genügend Kräfte, die diesen Kurs befördern könnten. Das Außenministerium des Poltergeistes Avigdor Lieberman sieht sich gar als Bastion zur Verteidigung des israelischen Stolzes. Das Problem an dieser Haltung ist allerdings, dass sie die Kluft zwischen der Selbstwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung immer weiter vergrößert - und diese Kluft muss Israel irgendwann zum Verhängnis werden. Denn das Land, das von so vielen Seiten angefeindet wird, ist dringend auf Freunde angewiesen.
An diesen Freunden - in Washington und in den europäischen Hauptstädten, nicht zuletzt in Berlin - ist es nun, auf Israel einzuwirken. Die Regierung in Jerusalem hat sich verrannt in selbstbezogene Alleingänge. Damit jedoch gefährdet Israel nicht nur seine eigene Position in der Welt, sondern auch die Suche der Welt nach Frieden in einer der gefährlichsten Regionen auf dem Globus. Der völlig überzogene Militäreinsatz gegen die Schiffe mit den Hilfsgütern sollte nun zur Umkehr mahnen.
http://www.sueddeutsche.de/politik/angri...1.952254-2