Der japanische Aktienindex Nikkei verdreifachte sich von 1985 bis 1989 von 13.000 auf 39.000 Punkte. Selbst wer am japanischen Aktienmarkt erst einstieg, als der Index sich auf 20.000 halbiert hatte, musste lernen, was möglich ist, wenn eine Aktien-, Immobilien- und Kreditblase platzt. Heute steht das japanische Aktienbarometer unter 9000 Punkten.
Die japanische Wirtschaft steckt seit 1990 in einer Wachstumsflaute, unterbrochen von wiederkehrenden Rezessionen und kurzen Wachstumsschüben. Das ist das Szenario, das die wichtigsten Notenbanker der Welt unter Führung von Fed-Chef Ben Bernanke im Kopf haben, wenn sie sich derzeit bei ihrem alljährlichen Treffen im amerikanischen Jackson Hole über grundlegende Strategiefragen austauschen. Droht Amerika, droht den westlichen Industrienationen insgesamt das Japan-Szenario?
Norbert Häring ist Handelsblatt-Korrespondent in Frankfurt. Quelle: Pablo Castagnola
Norbert Häring ist Handelsblatt-Korrespondent in Frankfurt. Quelle: Pablo Castagnola
Die Parallelen sind beängstigend. Auch der amerikanische Dow-Jones-Aktienindex verdreifachte sich zehn Jahre später, von 1995 bis 1999. Dahinter stand wie in Japan eine Kreditblase, die sich in den USA ab Anfang der 1980er-Jahre aufblähte. Der mit immer höheren Raten wachsende Kredit putschte die Wirtschaft auf und trieb schließlich die Preise von Aktien nach oben. Es sind die Nachwirkungen dieser jahrzehntelangen Kreditexpansion und die Art, wie die folgende Krise bewältigt wurde, mit der die USA und die meisten westlichen Industrieländer heute zu kämpfen haben.
In den letzten zwei Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts stieg in den USA das Verhältnis von Schulden von Haushalten, Unternehmen, Staat und Finanzinstituten zum Bruttoinlandsprodukt um 100 Prozentpunkte auf etwa 270 Prozent, eine Kreditexpansion wie es sie seit den Jahren vor der Großen Depression nicht mehr gegeben hatte.
Als dann die Aktienblase platzte und die Kurse purzelten, kam die Stunde der Notenbanker. Sie waren sich sicher, aus der japanischen Erfahrung gelernt zu haben.
Wo die japanische Notenbank zögerlich gewesen war, senkte die amerikanische Notenbank schnell und entschlossen den Leitzins. Erklärtes Ziel des damaligen Notenbankchefs Alan Greenspan war es, die geplatzte Aktienblase durch eine Immobilienpreisblase zu ersetzen, so dass die Wirtschaft ihr kreditgetriebenes Wachstum fortsetzen konnte.
Das gelang. Anstatt zu sinken wie in Japan, machte das Verschuldungsniveau in den USA einen weiteren großen Satz nach oben und stieg bis unmittelbar vor Ausbruch der Subprime-Krise auf den Rekordwert des 3,7-Fachen einer Jahreswirtschaftsleistung. Europa machte die gleiche Entwicklung verzögert und abgeschwächt mit.
Die Japan-Falle ist zugeschnappt
Als auch diese Immobilienblase platzte, ließ sich die Verschuldungsquote nicht mehr stabilisieren. Haushalte und Unternehmen versuchten gleichzeitig, ihre Verschuldung abzubauen. Die US-Notenbank senkte den Zins auf null, andere Notenbanken zogen nach. Die Regierung nahm verstärkt Schulden auf. Aber mehr als eine bescheidene Zwischenerholung der US-Wirtschaft war nicht drin. Da Haushalte und Unternehmen ihre Verschuldung schneller abbauen wollen, als der Staat bereit und in der Lage ist, neue Schulden aufzunehmen, geht das gesamte Schuldenvolumen zurück.
Jackson Hole: Von Bernanke wird das Unmögliche erwartet
Angesichts der Finanzkrise erwarten Investoren die Rede des US-Notenbankchef beim Bankertreffen in Jackson Hole mit haushohen Erwartungen. Sie hoffen auf ein weiteres Stimuluspaket - doch sie könnten enttäuscht werden.
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Hierin liegt das Problem. Die Schuldenrückzahlung bindet Einkommen, das nicht mehr für sonstige Ausgaben zur Verfügung steht. Die schwache Nachfrage drückt Einkommen und Gewinne, was die Schuldenrückzahlung für Haushalte und Unternehmen gleichzeitig schwieriger und notwendiger macht. Die Japan-Falle ist zugeschnappt.
In Japan, wo das ebenfalls der Fall war, gab es starke Strömungen in der Notenbank und der Politik, die eine reinigende Krise wollten. Die schwachen Unternehmen sollten eliminiert werden, in der Hoffnung, dass es dann wieder mit neuem Schwung nach oben geht. Dabei übersahen die Befürworter eine wichtige Lehre der Großen Depression.
Eine Schuldenkrise reinigt nicht. Wenn man sie laufen lässt, sinkt die Nachfrage, es sinken die Preise, und in der Folge wird die Verschuldung preisbereinigt immer höher und lastet immer schwerer auf der Wirtschaft. Das zu vermeiden ist die wichtigste Lehre aus der Großen Depression und aus der japanischen Krise.
EZB
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Es war deshalb kein Fehler, dass die Notenbanken ab 2001 viel billiges Geld bereitstellten, um das Platzen der Dotcom-Blase abzufedern. Der Fehler bestand darin, dass sie die neue Kreditblase unbeirrt weiter aufblähten, als die Krise schon lange überwunden war. In diese Verlegenheit werden sie diesmal nicht kommen. Zu hoch ist das Verschuldungsniveau, zu tief die Krise.
Die Federal Reserve, die Europäische Zentralbank und die Finanzminister werden auch mit maximalem Einsatz nicht mehr tun können, als die schmerzliche und unvermeidliche Entschuldung der Privatwirtschaft abzufedern. Das gute Szenario sind einige Jahre enttäuschenden Wachstums, bis die Folgen des Schuldenexzesses verarbeitet sind. Das schlechte Szenario ist eine jahrzehntelange ökonomische Eiszeit wie in Japan
http://www.handelsblatt.com/politik/konj...p4541814=2